Blog Entry: Die verflixte X-Wing-Serie oder Wieso eigentlich Datenmodellierung?
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Intro
Oregami soll eine Mitmach-Datenbank für Computer- und Videospiele werden, fachlich ähnlich komplex wie die Internet Movie Database für Film und Fernsehen. Wenn wir also über Oregami sprechen, dann ist schnell von unserem Datenmodell - oder fachlichen Modell - die Rede, und dass dieses ominöse Modell besser sein soll als bei anderen, bereits existierenden Spieledatenbanken. Aber wieso eigentlich? Was ist eigentlich ein Datenmodell und warum ist eigentlich das, was MobyGames und TheLegacy anbieten, nicht ausreichend für uns?
Nun bringt unser aller liebstes Spielzeug einen ganzen Berg an Daten mit: Computer- und Videospiele haben einen Namen, gehören einem Genre an, werden auf verschiedenen Systemen in verschiedenen Versionen zu verschiedenen Zeitpunkten veröffentlicht, das auch noch in verschiedenen Ländern, und so weiter und so fort. All diese Daten sollen in unsere Datenbank eingegeben werden können, aber das alleine reicht natürlich noch nicht aus. Schaut sich der Benutzer ein Spiel an, so möchte er zum Beispiel wissen, auf welchen Systemen dieses Spiel erschienen ist und wann. Schaut er sich eine Spielesammlung an, so sollte erscheinen, welche Spiele sie enthält, und diese Spiele sollten mit einem weiteren Klick für mehr Informationen erreichbar sein. Oder welche Spiele eines bestimmten Genres sind in einem bestimmten Jahr auf einem bestimmten System erschienen?
Solcherlei Auswertungen lassen sich nur realisieren, wenn die Daten sinnvoll miteinander verknüpft werden, und hier kommt unser Datenmodell ins Spiel: Das Modell enthält alle Datenarten, die theoretisch bei Computer- und Videospielen auftreten können, und verknüpft sie. Und zwar so, dass möglichst alle Praxisfälle aus 40 Jahren Videospielgeschichte abgebildet werden können. Klingt kompliziert? Ist es auch, wenn man es ordentlich machen will - und an einem konkreten Beispiel wollen wir heute darstellen, warum das so ist. Wir haben die X-Wing-Reihe ausgewählt, eine Serie von 3D-Weltraum-Schießspielen im Star-Wars-Universum, die in den 90er Jahren für DOS, Macintosh und Windows erschienen ist. Anhand der folgenden "Stages" kann der geneigte Leser das Datenmodell seiner jeweiligen Lieblings-Spieledatenbank auf die korrekte Abbildung der X-Wing-Reihe überprüfen.
Stage 1
In Stage 1 ist Basisarbeit angesetzt. Jede Spiele-Datenbank müsste diese Grundanforderungen erfüllen können.
Level 1-1: Alle Spiele, Add-ons und Compilations der Reihe haben einen eigenen Datenbank-Eintrag mit Grundinformationen.
Dies ist das absolute Minimum an Information, das eine Spiele-Datenbank bieten sollte. Hier die Spiele der X-Wing-Reihe mit ihren offiziellen Add-ons, zur Anschauung wurden verschiedene Spiele-Datenbanken verlinkt:
X-Wing mit Imperial Pursuit und B-Wing
TIE Fighter mit Defender of the Empire
X-Wing vs. TIE Fighter mit Balance of Power
Alliance
Hier eine Auswahl an Compilations, die Spiele der Reihe enthalten haben:
X-Wing Collector's CD-ROM
TIE Fighter Collector's CD-ROM
X-Wing Trilogy
X-Wing Collector Series
The LucasArts Archives Vol. II
Level 1-2: Zu jedem Spiel und Add-on und zu jeder Compilation sind alle Plattformen ersichtlich, auf denen es/sie erhältlich war.
Die beiden ersten Spiele der X-Wing-Serie waren DOS-Entwicklungen, die später im Rahmen von Neuveröffentlichungen den Sprung auf den Mac und in die Windows-Welt geschafft haben. Die letzten beiden Spiele waren reine Windows-Veröffentlichungen, die keine Portierung auf ein anderes System mehr gesehen haben.
Sehr schön übersichtlich gestaltet das beispielsweise die OGDB, hier am Beispiel von TIE Fighter.
Level 1-3: Die Spiele sind mit ihren jeweiligen Add-ons verbunden und umgekehrt.
Dieser Level bedeutet, dass von den Informationsseiten der Hauptspiele jeweils alle passenden Add-ons zu erreichen sind und auch umgekehrt bei allen Zusatzinhalten das Mutterspiel ersichtlich ist. Und wir reden hier natürlich nicht von manuellen Links im Beschreibungstext oder Ähnlichem.
Auch für Level 1-3 kann die OGDB als Beispiel dienen, im unteren Teil der Seite zu X-Wing ist dieser Level gut zu erkennen.
Stage 2
Stage 2 sollte jede Spiele-Datenbank überwunden haben, die die Sache etwas ernster nimmt und die auch ernst genommen werden will.
Level 2-1: Die Compilations sind mit allen enthaltenen Spielen/Add-ons verbunden und umgekehrt.
Dieser Level folgt nicht umsonst nach Level 1-3, ist er doch recht ähnlich. Von den Ansichtsseiten der Compilation sollten jeweils alle enthaltenen Spiele/Add-ons erreichbar sein und auch umgekehrt, d.h. bei jedem Spiel oder Add-on sollte ersichtlich sein, dass es Teil dieser Compilation war. Und auch hier zählen manuelle Links im Beschreibungstext o. Ä. natürlich nicht.
Beispielhaft sei auch hier die OGDB genannt, wie man unter anderem an der Seite zur Star Wars Collection sehen kann.
Level 2-2: Für jede(s) Spiel, Add-on oder Compilation können mehrere Veröffentlichungen mit jeweils anderen Daten wie Veröffentlichungsdatum, Region und Cover-Scans gespeichert werden.
Es ist in der Videospielindustrie gang und gäbe, und das war es auch zu Zeiten der X-Wing-Spiele schon, dass Spiele mehrfach veröffentlicht werden. Ob nun als verschiedene Sprachversionen für verschiedene Länder oder als Budgetversionen oder in Compilations, in den allermeisten Fällen findet der Sammler eine andere Verpackung und andere Packungsinhalte vor.
Als Beispiel kann der interessierte Leser hier die Veröffentlichungs-Informationen für X-Wing auf MobyGames studieren.
Level 2-3: Für die einzelnen Spiele können technische Details wie Systemanforderungen, unterstützte Peripheriegeräte oder enthaltene Sprachen eingegeben werden.
Nahezu jedes Spiel, das in Umlauf kommt, fußt auf einer anderen Game-Engine und bringt deshalb natürlich ganz andere Systemvoraussetzungen mit. Außerdem sind oft unterschiedliche Spielmodi implementiert oder es werden verschiedene Peripheriegeräte und Bildschirmauflösungen unterstützt. All das sollte in einer guten Spiele-Datenbank ersichtlich sein.
Zur weiteren Vertiefung seien hier die bei MobyGames gespeicherten technischen Spezifikationen zu X-Wing und zur X-Wing Collector's CD-ROM verlinkt.
Stage 3
Die finale Stage 3 schließlich trennt die Spreu vom Weizen. Hier wird es haarig und kompliziert, deshalb gibt es auch keine Beispiellinks. Es gbt unseres Wissens schlicht keine Spiele-Datenbank, die die folgenden Level bereits vollständig gemeistert hat.
Level 3-1: Die unterschiedlichen Hauptversionen der Spiele sind vollständig voneinander abgegrenzt und unterscheidbar.
Mit "Hauptversionen" sind bei diesem Level nicht kleine Patches gemeint, sondern signifikant veränderte Wiederveröffentlichungen wie beispielsweise Demos, Remakes oder erweiterte Versionen, die aber im Kern immer noch das grundselbe Spiel darstellen wie die Erstveröffentlichung. X-Wing beispielsweise wurde nach der Erstveröffentlichung für DOS-Diskette auf die TIE-Fighter-Engine portiert, das Ergebnis wurde als verbesserte CD-ROM-Version wiederveröffentlicht. Später erfolgte gar noch eine Portierung auf die X-Wing-vs.-TIE-Fighter-Engine für Windows (sog. X-Wing 95).Das Spiel hatte also drei Hauptversionen: DOS-Diskette, DOS-CD und Windows, wobei die Wiederveröffentlichungen zunächst immer im Rahmen von Compilations erfolgten. Ein anderes Beispiel ist X-Wing vs. TIE Fighter selbst, das zu Promotionzwecken als abgespeckte Version diversen Compilations beigelegt wurde (sog. Flight School).
Level 3-1 beinhaltet demnach die Möglichkeit, bei jeder Veröffentlichung die Hauptversion des Spiels zu kennzeichnen, die enthalten war. Umgekehrt bedeutet das aber auch und vor allem, dass für jede Hauptversion eine Übersicht existiert, wie diese Version alles veröffentlicht wurde.
Level 3-2: Eine verschachtelte Compilation ist mit den Ursprungsspielen verbunden und umgekehrt.
Der aufmerksame Leser fragt sich sicher sofort: Huch, das hatten wir doch schon mal, wo ist der Unterschied zu Level 2-1? Der kleine, aber feine Unterschied ist das Wörtchen "verschachtelt". Die X-Wing und TIE Fighter CD-ROM-Editionen, die ihrerseits jeweils eine Compilation der Spiele X-Wing und TIE Fighter mit ihren Add-ons sind, wurden später als X-Wing Collector Series zusammen wiederveröffentlicht. Eine Compilation-Compilation, wenn man so will, oder besser noch als verschachtelte Compilation zu bezeichnen.
Der Level 3-2 besteht also darin, dass auf der Informationsseite der Collector Series nicht nur im Text erkennbar ist, dass die Spiele X-Wing und TIE Fighter mit ihren Add-ons enthalten sind. Umgekehrt sollte auf den Seiten jedes dieser Spiele und Add-ons erkennbar sein, dass sie im Rahmen der Collector Series wiederveröffentlicht wurden.
Level 3-3: Veränderungen der technischen Spezifikationen eines Spiels durch Add-ons oder Patches können abgebildet werden.
Das erste Add-on Imperial Pursuit zum ersten Spiel der X-Wing-Reihe wurde in einer weiteren Version veröffentlicht, die man relativ selten sieht: Nach Installation des Add-ons besaß der Spieler nicht nur den deutschsprachigen Zusatzinhalt, sondern auch ein auf deutschsprachig gepatchtes Hauptspiel. Weitere Beispiele für Veränderungen der technischen Spezifikationen eines Spiels durch Add-ons sind solche, die neue Grafik- oder gar Spielmodi implementieren oder die die Systemanforderungen verändern.
In Level 3-3 steckt also die Möglichkeit, auf der Infoseite des Hauptspiels X-Wing darzustellen, dass es auch als komplett eingedeutschte Version veröffentlicht wurde, und zwar im Rahmen des Add-ons Imperial Pursuit: Upgrade Kit.
Extro
So weit zu den Verflixtheiten der X-Wing-Serie, die keine uns bekannte Spiele-Datenbank da draußen in vollem Umfang abbildet. Bei Oregami versuchen wir unser Datenmodell von Anfang an so zu gestalten, dass auch die drei schweren Level relativ mühelos abgehakt werden können. Einfach ist das nicht, aber es macht Spaß. Denn auch andere Datenarten beinhalten viele interessante Probleme, die gründlich bedacht sein wollen, um später im laufenden Betrieb nicht an unangenehme Grenzen zu stoßen.
Computerspiel-Entwickler wechseln ihr Geschlecht, Spielezeitschriften erscheinen in drei verschiedenen Versionen pro Ausgabe und große Spielefirmen gründen, kaufen, verkaufen und schließen ihre selbst- und unselbstständigen Dependancen, wie es ihnen gefällt. Wer bei alledem mittüfteln oder mitprogrammieren möchte, ist herzlich dazu eingeladen, sich in unserem Forum zu melden. Vielleicht können wir dann bald einen neuen Blogeintrag über die schöne, reale Datenwelt da draußen verfassen.
Dieses war der erste Streich, ein erster Blogeintrag über einen wichtigen Aspekt von Spieledatenbanken, den wir gegenüber existierenden Projekten verbessern wollen. Selbstverständlich gibt es noch mehr Themen, bei denen sich Oregami von anderen Datenbanken abheben wird. Aber über die soll hier in nicht allzu ferner Zukunft ausführlich berichtet werden. Also, liebe(r) Leser(in), please watchen das blinkenlights!